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#5 BASIS Stammtisch “Weiter Denken”

Die Wirtschaft und jeder einzelne Unternehmer wird in Zukunft ein besseres Krisenmanagement implementieren müssen, um in Zeiten wie diesen agiler reagieren zu können. Die Digitalisierung wird weiter vorangetrieben werden und müssen.

Lessons Learned für die Wirtschaft aus der Covid-19 Krise

 

Welche Erkenntnisse nehmen wir aus der derzeitigen Krisensituation für die lokale Wirtschaft mit?

Der #5 BASIS Stammtisch digital fand am 07. April 2020 statt. 35 TeilnehmerInnen, unter anderem VertreterInnen der EURAC, LVH, IDM Südtirol, lokale Unternehmen aus verschiedenen Branchen (Lebensmittel, Dienstleister, Handwerk), Private, StudentInnen, Regionalentwickler, TeilnehmerInnen aus dem Vinschgau, Unterland, sowie Nordtirol und Wien, waren anwesend. Die Moderation übernahm Hannes Götsch, Initiator von BASIS Vinschgau Venosta zusammen mit Carina Matscher. Der BASIS Stammtisch ist ein offenes Format, wo verschiedene Menschen mit unterschiedlichen Meinungen und Ansichten Ideen austauschen und miteinander über ein bestimmtes Thema diskutieren. Jeder ist herzlich willkommen. Normalerweise findet der BASIS Stammtisch in einem lokalen Gastbetrieb statt, um einerseits die Diskussionskultur und andererseits die Wirtshauskultur wieder aufleben zu lassen. Dass der Stammtisch auch als digitales Format gut funktionieren kann, hat sich letztens bewiesen. BASIS Vinschgau Venosta fasst folgende Kernaussagen der Online-Diskussionsrunde zusammen, um die Ideen voranzutreiben.

 

1– Diversifizierungsstrategien

Einige TeilnehmerInnen des digitalen Stammtisches verdeutlichten, dass die lokalen Unternehmen noch nicht anpassungsfähig genug sind, um einer Krise solcher Art Stand zu halten. In Zukunft wird man darauf besser vorbereitet sein müssen und sich um mehr Liquidität schon bei der Planung von Projekten kümmern, um ein geringeres Gesamtrisiko zu erzielen.

Das Prinzip der Postwachstumsökonomie ist hierbei ausschlaggebend: Als „Postwachstumsökonomie“ wird eine Wirtschaft bezeichnet, die ohne Wachstum des Bruttoinlandsprodukts über stabile, wenngleich mit einem vergleichsweise reduzierten Konsumniveau einhergehende Versorgungsstrukturen verfügt.

Durch Agilität und Wandelbarkeit muss unsere Wirtschaft und Gesellschaft reaktionsfähiger werden und mehr Resilienz aufbauen. Durch prozesseffizientes Arbeiten kann konsequentes Liquiditätsmanagement betrieben werden.

In der Diskussion kam heraus, dass je nach Art und Produkt einige Betriebe agiler als andere sind. Im Bereich der Lebensmittelindustrie gibt es im Vergleich zu anderen Branchen weniger Einbußen. Dennoch muss gesagt werden, dass auch Firmen mit langlebenden Produkten, wie zum Beispiel Rohmaterialien, nicht ohne Verluste aus der Krise austreten werden.

Ob und wie viel ein Unternehmen Schaden davonträgt, hängt also von mehreren Faktoren ab:
– Betriebsform und Anzahl der MitarbeiterInnen
– Absatzmarkt im In- oder Ausland
– Art des Produktes
– Regionale Ressourcen und externe Stakeholder
– Lebenszyklusstadium
– Kulturelle Werte und Lernprozesse innerhalb des Unternehmens

 

2 – Kreislaufwirtschaft

Das derzeitige Trendthema ist nicht gleichzusetzten mit dem Punkt „Regionale Kreisläufe“. Kreislaufwirtschaft bezeichnet den umweltschonenden Wiederverbrauch von Ressourcen und Gebrauchsmaterialien. Laut vielen TeilnehmerInnen des Stammtisches muss unsere Gesellschaft weg von der Wegwerfmentalität. Schnelles Konsumieren und der verschwenderische Umgang mit natürlichen Ressourcen, sowie die Umweltverschmutzung sind gegensätzlich zu langfristigen Konsumgütern und die Instandhaltung von Objekten. Durch den schnellen Ersatz durch neue Güter werden Ressourcen verschwendet und die lokalen Verfügbarkeiten oft gar nicht in Betracht gezogen. Sinnvoll eingesetzte Kreislaufwirtschaft bringt die Wirtschaft in Südtirol wieder schneller auf die Beine, denn sie minimiert die Abfallwirtschaft und die damit verbundenen Kosten und unterstützt die intersektorale Zusammenarbeit.

 

3 – Neue Formen der Arbeit

Alternative Arbeitszeitmodelle für Unternehmen haben Zukunft. Hierzu gibt es mehrere Möglichkeiten: Geringere Arbeitszeiten, Home-Office und Telearbeit sind nur einige Formen davon. Ein gut funktionierendes Praxisbeispiel dafür ist das „Toyota Werk“ in Göteborg, welches eine 30-Stundenwoche für die Mitarbeiter eingeführt hat, dafür täglich in zwei Schichten produzieren kann, zu jeweils sechs Stunden und somit die Produktivität um 40% steigern konnte. Ein weiteres Beispiel zeigt das Unternehmen „eMagnetix Online Marketing Gmbh“ aus Österreich auf (https://www.youtube.com/watch?v=j2osGyaGsO8) – es steht für eine bessere Work-Life-Balance anstatt “mehr Geld”.

 

4 – Digitale Transformation

Home-Office, Kommunikations- und Projektmanagementools werden unausweichlich. Die Mitarbeiter und die gesamte Infrastruktur müssen darauf vorbereitet werden, in Ausnahmefällen dieselbe Leistung auch von einem anderen Ort aus darbringen zu können. Serverstrukturen und die notwendigen Prozesse müssen schon von Beginn an implementiert werden. Eine Voraussetzung für reibungsloses digitales Arbeiten ist Breitbandinternet in allen Teilen Südtirols. Die derzeitige Krisensituation zeigt die Grenzen auf und verdeutlicht, dass die digitale Transformation in Südtirol erst am Anfang steht. Basis der digitalen Transformation sind eine digitale Infrastruktur sowie die traditionell als Informationstechnik bezeichneten digitalen Technologien, die in einer immer schneller werdenden Folge entwickelt werden und somit den Weg für wieder neue digitale Technologien ebnen. Zu den wesentlichen Treibern gehören Netze, Computer-Hardware und Anwendungen, wie z.B. Apps auf Smartphones, Webanwendung, sowie die auf den digitalen Technologien basierenden Verwertungspotentiale wie digitale Geschäftsmodelle. Auch die Erwartungshaltung von Individuen, insbesondere vieler jüngerer innovativer Mitglieder der Gesellschaft unter anderem den Unternehmen gegenüber, stellt selbst eine starke treibende Kraft der digitalen Transformation dar. Das Thema Online-Shops wird in Zukunft auch in Südtirol interessant werden. Geschäfte, die einen Online-Shop während der Krise geschafften haben, werden ihn fortsetzten. Andere Unternehmen werden sich überlegen einen Online-Shop einzurichten. Es muss eine lokale Lösung gefunden werden und auch kleinere Shops sollen die Möglichkeiten bekommen ihre Waren online zu verkaufen.

 

5 – Regionale Kreisläufe

Immer wichtiger werden lokale Anbieter und regionale Produkte. Notwendig importierte Waren sollen Unternehmen wenn möglich aus dem fairen Handel beziehen. Da durch solche Maßnahmen eine Preissteigerung des Endproduktes die Folge sein wird und die Unternehmen mit weniger Absatz rechnen können, müssen die Unternehmen auch bei der Aufklärung der breiten Masse unterstützt werden. Qualitätssiegel wie z.B. Echte Qualität am Berg, Südtiroler Qualitätsprodukte, Roter Hahn, Slow Food Italy, Nationalpark Stilfserjoch usw. könnten einheitlich vermarktet werden, bzw. durch Interessensverbände und der lokalen Politik auch in der Bevölkerung kommuniziert werden. Ressourcenschonende Rohstoffe wie Hanf müssen weiter gefördert werden.

Eine Sensibilisierung der Bevölkerung für die regionalen Kreisläufe muss durch Eigenverantwortung geschehen, aber auch die Politik muss sich ihrer Pflicht bewusstwerden und notfalls neue Gesetzesentwürfe ausarbeiten. Der Staat muss für die Unternehmen Anreizsysteme schaffen, um sich dem System anzupassen. Diese können u.a. Zollerhöhungen bei Importwaren oder Subventionsleistungen für lokale Produzenten sein.

 

6 – Intersektorale Zusammenarbeit

Für Landwirtschaftsbetriebe, die im Sommer/Herbst Probleme haben ausländische Arbeitskräfte für die Ernte einzustellen (evtl. anhaltende Aus- oder Einreisebeschränkungen) kann eine Vermittlung zwischen möglichen lokalen Arbeitskräften und landwirtschaftlichen Betrieben organisiert werden.

Die Betriebe erkennen zunehmend, dass der Austausch über technisches Know How, Kommunikationstools und internationalen Trends wichtig und profitabel ist. Alle müssen am selben Strang ziehen. Der Wertewandel in der Wirtschaft und Gesellschaft ist dabei bahnbrechend. Anstelle von Konkurrenzdenken und Gewinnmaximierung muss das Augenmerk auf die Zusammenarbeit, den Austausch und die Qualität gelegt werden. Gemeinsam müssen Lösungen für sozio-ökonomische und ökologische Ziele gesetzt werden. Diese Transformation in der Unternehmenskultur und in der Gesellschaft muss einerseits von oben (top down), aber auch von jedem Einzelnen ausgehen (bottom up).

 

7 – Government

Der Druck von oben muss durch entsprechende politische Strukturmaßnahmen gesetzt werden. Einige Diskutierende waren der Ansicht, dass nur durch Gesetztesmaßnahmen, verbunden mit Sanktionen, bestimmte Regelungen eingehalten werden. Von Zeit zu Zeit werde so durch Gewohnheit ein langfristiges Verhalten in die richtige Richtung erzielt und die Regelungen vonseiten der Bevölkerung natürlich umgesetzt.

Der Staat muss als Kontrollorgan den optimalen Rahmen schaffen, um eine starke Entwicklung in der lokalen Wirtschaft zu ermöglichen. Der folgende Punkt beschreibt einen möglichen Lösungsvorschlag.

 

8 – Bedingungsloses Grundeinkommen

Die Corona-Krise hat gezeigt, dass die lokalen Unternehmen auf Engpässe und Wirtschaftsumschwünge zu wenig oder gar nicht vorbereitet sind. Die Diskussion um das Grundeinkommen muss neu aufgerollt werden. Spanien hat als erster EU-Staat das Grundeinkommen wieder in Erwägung gezogen. Es will mitten in der Corona-Debatte eine langfristige Absicherung der Ärmsten einführen. Aufgrund der Mechanisierung wird das bedingungslose Grundeinkommen früher oder später zum Thema werden, damit die Arbeitsnehmer, die mehr und mehr durch Maschinen ersetzt werden, noch kaufkräftig bleiben und kein Zusammenbruch der Wirtschaft droht. Dennoch muss überlegt werden, ob unsere Gesellschaft für das bedingungslose Grundeinkommen schon bereit ist. Die Post-Coronazeit mit ihrem Wertewandel und neuen Maßnahmen in allen Bereichen ist für diese Diskussion sicher ein guter Zeitpunkt.

 

Schlussendlich gewinnen somit regionale Kreisläufe und lokale Dienstleistungen mehr Akzeptanz und an Wichtigkeit. Die Wirtschaft und jeder einzelne Unternehmer wird in Zukunft ein besseres Krisenmanagement implementieren müssen, um in solchen Zeiten agiler reagieren zu können. Eine große Chance ist es nun das Thema der Digitalisierung umfassend anzugehen und neue Arbeitsformen in Betracht zu ziehen. Neue Prozesse, die während der Krise gut funktioniert haben, werden von Unternehmen ausgearbeitet und beibehalten. Die Politik wird sich gezwungen sehen bestehende Gesetze, die das Zusammenleben und die Wirtschaft betreffen zu überarbeiten und neue Regelungen für Zölle und Grundeinkommen aufzustellen.

Als Informations- Umsetzungs- und Netzwerkknotenpunkt hilft BASIS Vinschgau Venosta bei neuen Projektideen und freut sich auf eine Kontaktaufnahme. Zu den oben genannten Punkten wird zusammen mit Interessierten ein Strategiepapier ausgearbeitet und gewünschte Prozesse mithilfe von Experten in Gang gesetzt.

 

Download der Zusammenfassung in deutscher und italienischer Sprache – BASIS Stammtisch#5 Nachbericht

 

Consulting, Coronakrise
14.04.2020