Die Bezirksgemeinschaft Vinschgau hat sich erfolgreich für die Finanzierung von Projekten im Rahmen des Nationalen Plans für Aufbau und Widerstandsfähigkeit (kurz PNRR) in der Kategorie Green Communities beworben und sich damit 4.068.200€ für die Umsetzung der im Rahmen der Antragsstellung vorgesehenen Projekte im Vinschgau gesichert.
In der Kategorie Green Communities konnten Projekte im Ausmaß von mindestens zwei Millionen Euro bis maximal 4,3 Millionen Euro eingereicht werden. Italienweit war in diesem Rahmen eine Gesamtfinanzierung in Höhe von insgesamt 129 Millionen Euro vorgesehen. Bewerben konnten sich hierbei ausschließlich Gemeinden oder Einrichtungen des öffentlichen Rechts mit gemeindeübergreifender Ausrichtung wie Bezirksgemeinschaften oder entsprechende Konsortien. Die Bekanntmachung erfolgte am 30.06.2022 durch den Ministerrat – Abteilung für regionale Angelegenheiten und Autonomien – mit der Absicht mindestens dreißig Projekte auf der Grundlage von Plänen für nachhaltige Energie, Umwelt und wirtschaftliche und soziale Entwicklung zu finanzieren. Die Abgabefrist endete am 16. August 2022.
BASIS Vinschgau Venosta hat im Auftrag der Bezirksgemeinschaft Vinschgau die gemeinsame Erarbeitung der Themenschwerpunkte und die inhaltliche Ausarbeitung des Projektantrages übernommen. Italienweit wurden knapp 150 Projekte eingereicht und bewertet. Als alleingier Antragssteller in der Provinz Bozen konnte sich die Bezirksgemeinschaft Vinschgau mit 35 weiteren Antragsstellern aus den verschiedenen Regionen Italiens erfolgreich durchsetzen und sicherte sich damit wertvolle Finanzmittel zur Realisierung nachhaltiger und ökologischer Projekte im Vinschgau.
Im Rahmen der Bezirksausschusssitzung, welche erstmals am 11.10.2022 im Seminarraum der BASIS Vinschgau Venosta stattfindet, werden die Arbeitspakete für die Umsetzung der Projekte besprochen und definiert. BASIS wird sich dabei um die fristgerechte Bearbeitung und Umsetzung der einzelnen Projekte kümmern, welche innerhalb 2026 mit abschließendem Bericht an das Ministerium endgültig zu Ende geführt sein müssen.
Die verschiedenen Projekte der Antragsstellung
Der Klimawandel belastet das empfindliche alpine Ökosystem und hat Auswirkungen auf die Wirtschaft und die Sicherheit der lokalen Bevölkerung. Daher müssen konkrete Maßnahmen und Investitionen ergriffen werden, um Energieeinsparungen zu fördern, die Entwicklung erneuerbarer Energien in allen Sektoren voranzutreiben und die Nutzung natürlicher Ressourcen zu verbessern, indem die bewährten Verfahren der Digitalisierung und der Kreislaufwirtschaft umgesetzt werden.
Mit dem Projekt „Green Communities“ verfolgt der Bezirk das übergeordnete Ziel, die Bewirtschaftung und Nutzung lokaler Ressourcen wie Wasser und Holz zu verbessern und die Nutzung von Sonnenenergie zu steigern.
Die Investitionen sind so gestaltet, dass sie kurzfristige Ergebnisse, aber auch lang anhaltende positive Auswirkungen bringen. Alle Maßnahmen sind darauf ausgerichtet, die Nachhaltigkeit der Interventionen nach dem Ende des Förderzeitraums zu gewährleisten.
Im Bereich der Holzwirtschaft wird ein konkretes öffentliches Gebäudeholzbauprojekt angegangen, welches das Bewusstsein für die Verwendung lokaler Rohstoffe und einer nachhaltigen holzbasierten Wirtschaft schärfen soll. Auch dauerhafte Veranstaltungen und Sensibilisierungskampagnen für die Verwendung der Materialien sind geplant.
Im Bereich der Wasserwirtschaft ist der sparsame Umgang mit der Ressource Wasser aufgrund der geringen Niederschläge im Vinschgau unumgänglich und stellt eine besondere Herausforderung dar. Das Projekt sieht die Einrichtung eines Antennennetzesvor, das mit Hilfe der LoRaWAN-Technologie Daten über die Nutzung und den Bedarf an Wasser auf den Feldern im gesamten Tal überwacht, wobei die verschiedenen Arten von Kulturen und die tatsächliche Verfügbarkeit von Wasser in den Einzugsgebieten berücksichtigt werden. Das erwartete Ergebnis ist die Einsparung von Wasser und Energie durch eine verbesserte Datengrundlage.
Im Bereich Energieerzeugung gibt es besonders bei der Nutzung der Sonnenenergie noch sehr viel ungenutztes Potenzial. Der Vinschgau liegt auf einer Ost-West-Achse und genießt eine hohe Sonneneinstrahlung mit durchschnittlich 315 Sonnentagen pro Jahr. Das konkrete Projekt sieht die Gründung einer Energiegemeinschaft vor, über welche Photovoltaikanlagen mit einer Gesamtleitung von 1 MWp auf öffentlichen Gebäuden errichtet werden. Erzeugung und Verbrauch finden an unterschiedlichen Standorten statt, in Summe bilden die Erzeuger und Verbraucher jedoch eine Einheit. Um den Eigenverbrauch zu maximieren sind auch die Installation von Speicherbatterien vorgesehen. Das Projekt soll als Vorzeigeprojekt dienen und die Gründung weiterer Energiegemeinschaften im Tal befördern.
Parallel zu der Maßnahme Photovoltaik wird ein virtuelles Kraftwerk entwickelt, indem sich alle Stromerzeuger und Verbraucher im Tal virtuell zusammenschließen können. Dadurch können beispielsweise die im Tal erzeugten Strommengen kostengünstiger über die Stromverkäufer an die Verbraucher weitergegeben werden.
Im Bereich der Stromnetze ist eine Smart-Grid-System geplant, welches eine Echtzeitmessung sämtlicher Sekundärkabinen in den Netzgebieten des VEK, der Gemeinde Schlanders, der Energie-Werk Prad Genossenschaft und des Elektrizitätswerks Stilfs erlaubt. Nach einer Schätzung dürfte diese Investition zu Einsparungen von ca. zwei Mio. kWh im Jahr führen.
Im Bereich der nachhaltigen Mobilität sind Investitionen geplant, wie beispielsweise die Errichtung von abschließbaren Fahrradboxen an den Bahnhöfen, um die Radmobilität weiter zu fördern. Das Projekt sieht auch die Installation von weiteren fünf 300kW Schnellladesäulen im Gebiet vor, nachdem die Elektromobilität weiter an Fahrt gewinnt. Darüber hinaus wird im Rahmen eines laufenden Projekts eines lokalen Unternehmens eine Multienergie-Tankstelle gebaut, die mit Wasserstoff und Strom aus Nebenprodukten der Holzverarbeitung betrieben wird.
Um das touristische Angebot zu vervollständigen, indem die bereits vorhandenen Ressourcen genutzt werden, wird ein Angebot an Workation und Retreats, d.h. Coworking Spaces für Touristen oder Arbeitsgruppen, eingerichtet. Der Vinschgau ist ein einzigartiger Ort, um neue kreative Prozesse durch die Inspiration der Natur zum Leben zu erwecken. Diese neuen Arbeitsformen ermöglichen es auch, den Aufenthalt zu verlängern und Arbeit und Freizeit miteinander zu vereinbaren. Außerdem werden die Türen für neue Formen der Wiederverwendung stillgelegter Strukturen geöffnet. Dadurch wird die Entwicklung eines nachhaltigeren Tourismus gefördert.
Was ist PNRR?
Um die Wirtschaft nach der Corona-Krise wieder anzukurbeln, hat die Europäische Union den Aufbauplan Next Generation EU (NGEU) ausgearbeitet. Dabei handelt es sich um ein sehr umfangreiches Programm mit 750 Mrd. EUR.
Damit der Zugang zu diesen Geldern gewährleistet ist, hat jeder Mitgliedstaat einen Nationalen Plan für Aufbau und Resilienz (PNRR – Recovery and Resilience Plan) erstellt. Der Plan enthält ein kohärentes Maßnahmenpaket mit Reformen und Investitionen für den Zeitraum von 2021 bis 2026. Die italienische Regierung hat der Europäischen Kommission im April 2021 offiziell den Plan Italiens vorgelegt. Am 13.07.2021 hat der Rat der Europäischen Union (Ecofin) den PNRR Italiens „Italia Domani“ angenommen, wodurch die Inanspruchnahme von 191,5 Milliarden Euro an EU-Mitteln aus dem Recovery Fund ermöglicht wird. Italien greift dabei ein Viertel der zur Verfügung stehenden EU-Mittel ab und ist somit als großer Erfolg der damaligen Conte Regierung zu sehen.
Der Plan beinhaltet Investitionen und Reformen in verschiedenen Bereichen, um Wirtschaft und Gesellschaft in Europa nachhaltiger und krisenfester zu machen. Dabei spielen Digitalisierung und Innovation, ökologischer Wandel und soziale Inklusion eine zentrale Rolle.
Foto (von links):
Michael Wunderer: Vorstandsmitglied BASIS Vinschgau Venosta und Projektinitiator
Dieter Pinggera: Präsident Bezirksgemeinschaft Vinschgau
Hannes Götsch: Geschäftsführer BASIS Vinschgau Venosta
Es fehlen: Luca Daprá (Projektleiter BASIS Vinschgau Venosta), Urban Rinner (Generalsekretär Bezirksgemeinschaft Vinschgau)