Die momentane Krise hat uns gezeigt, dass in der Weltwirtschaft ein wenig der Wurm drin ist. Beschränkungen, Auflagen und soziale Isolation der Beschäftigten haben ganze Wirtschaftszweige ungewollt in eine Schockstarre geschickt, die wiederum große Auswirkungen auf damit zusammenhängende Industrien hat. Die prinzipiell nicht wenigen Vorteile der Globalisierung hin oder her; eine Wegwerfgesellschaft, die gnadenlos nicht nachwachsende Rohstoffe verheizt, Umwelt und Ozeane vermüllt und Produktions- und Lieferwege von mehreren Tausend Kilometern in Kauf nimmt, um unterm Strich fünfeinhalb Cent pro Endprodukt zu sparen, kann nicht bis in alle Ewigkeit so weitermachen.
Ein Umdenken in der Wirtschaft spukt jedoch nicht erst seit der Pandemie, die momentan die Welt in Atem hält, in den Köpfen der Menschen herum. Wir recyceln (…hoffentlich 😉) seit Jahren unseren Müll; Abfallvermeidung bis hin zum Zero-Waste-Lebensstil und Fokus auf lokale und biologische Lebensmittel gehört für viele zum guten Ton, weil sie es sich und der Umwelt gut meinen. Auch die Europäische Union verfolgt schon lange eine Umstellung von der momentanen Linearwirtschaft zur vielgelobten Kreislaufwirtschaft. Und genau diese, und die konkreten Möglichkeiten für unsere lokale Wirtschaft, wollen wir uns kurz näher ansehen.
Was ist Kreislaufwirtschaft überhaupt? Das Wort allein lässt bereits an Recycling denken und dieses bildet auch einen nicht unerheblichen Teil der enthaltenen Konzepte. Doch die Kreislaufwirtschaft geht noch viel weiter. In einer Aussendung des Europäischen Parlaments zum Thema heißt es sinngemäß „…Die Kreislaufwirtschaft ist ein Modell der Produktion und des Verbrauchs, bei dem bestehende Materialien und Produkte so lange wie möglich geteilt, geleast, wiederverwendet, repariert, aufgearbeitet und recycelt werden. Auf diese Weise wird der Lebenszyklus der Produkte verlängert […] und Ressourcen und Materialien bleiben so weit wie möglich in der Wirtschaft. Sie können immer wieder produktiv genutzt werden, um weiterhin Wertschöpfung zu generieren.“
Der Ansatz der Europäischen Union bezieht sich vor allem auf die Abfallvermeidung, doch das Prinzip lässt sich auch auf viele weitere Elemente der Wirtschaft ausweiten. Wer Ressourcen, Materialien und auch Arbeitskraft lokal und in einem engen, überschaubaren System nutzt, verteilt und wiederverwendet, der schafft und behält Verdienst dort, wo er gebraucht wird. Ob dies nun ein Betrieb ist, der den Überschuss eines guten Jahres in die Bildung und Förderung vielversprechender lokaler Arbeitskräfte investiert, eine Schule oder andere betreuende Einrichtung, die den Ausschuss von Handwerksbetrieben upcycelt und für einen guten Zweck verkauft, oder eine Mutter, die dem Schulkind anstatt des Apfels aus Chile den aus dem Vinschgau in die Jausetüte packt, jeder sollte seinen Teil dazu beitragen, den Kreislauf der lokalen Wirtschaft eng und vollwertig zu gestalten. Lokale Kreisläufe und Kreislaufwirtschaft sind somit nicht gleichzusetzen, hängen aber durchaus zusammen. Beide Systeme können sich gegenseitig ergänzen und sollten uns stets vor den Augen gehalten werden. In der Wirtschaftsrealität manchmal schwer umsetzbar, bzw. mit Aufwand und Kosten verbunden, sind sie dennoch langfristig und vernünftig eingesetzt vorteilhaft für das Allgemeinwohl und die Ökonomie.
Dies bedeutet nunmehr nicht, dass gänzlich auf die weltweite Zusammenarbeit verzichtet werden muss. Bereits in einem vorigen Artikel haben wir angesprochen, dass totale Isolation und Einigeln nicht der richtige Weg sind. Doch sollte Wissen, Ressourcen und Arbeitskraft nur dann außerhalb des eigenen Kreislaufs gesucht werden, wenn dies anderweitig lokal nicht möglich ist. Doch das vor einigen Jahren in den Medien vielzitierte Beispiel der Shrimps, die in Norwegen gefangen, in Marokko geschält, in Israel vorgekocht und gewürzt und in Frankreich für den Endverkauf in Deutschland verpackt werden, sollte in einer Welt nach der Krise eine Anekdote aus der Vergangenheit sein, über die man verständnislos-mitleidig den Kopf schüttelt.
Dass die Vorteile der Kreislaufwirtschaft und des Rückbesinnens auf lokale Wertschöpfung nicht nur idyllische Zukunftsmusik sind, zeigte sich auch beim letzten BASIS Stammtisch, der mit großem Anklang zum ersten Mal digital abgehalten wurde. Viele TeilnehmerInnen und VertreterInnen der Forschung, aus Unternehmen, der Politik und der Bildung waren sich einig, dass wir in Zukunft sicherlich mehr darüber hören werden und es allmählich auch leben werden (müssen).
BASIS Vinschgau Venosta nutzt die gefundenen Restmaterialien der ehemaligen Militärkaserne, um daraus Gebrauchsgegenstände zu schaffen. Zusammen mit dem Designstudio GISTO wurden im vergangenen Herbst beispielsweise alte Fensterrahmen zu Tischen upgecycelt und noch weitere Gegenstände produziert. Eines ihrer Kunstobjekte war heuer auf der Architektur Triennale in Oslo und in Mailand.
Nicht umsonst, so sagt man, haben die Modebranche, Designwelt und Künstler großen Einfluss auf unser Konsumverhalten. Trendy und angesagt kann auch umweltfreundlich und ökologisch konform sein 😉.